Gasspeicher besitzen für das Energiesystem im Wesentlichen drei Wertschöpfungsebenen: den Handelswert, den Systemwert und den Versicherungswert. Doch was verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Und wie kann der Wert der Gasspeicher für die Zukunft erhalten werden?

Die Wertschöpfungsebenen der Gasspeicher: das Eisbergmodell

Deutschland verfügt über relativ wenig eigene Gasvorkommen. Nur rund ein Zehntel des Gasverbrauchs hierzulande wird daher aus deutscher Gasförderung abgedeckt. Deutschland muss die Versorgung mit Gas daher vor allem über Importe abdecken.

Die deutschen Gasspeicher nehmen dabei eine wichtige Rolle für Versorgungssicherheit und Preisstabilität ein. Sie gleichen Schwankungen beim Verbrauch von Gas aus und entlasten die Gasnetze – vor allem wenn die Kunden im Winter viel Gas zum Heizen nachfragen.

Der Wert der Gasspeicher für den Gasmarkt beschränkt sich jedoch nicht auf diese beiden Eigenschaften. Konkret besitzen die Gasspeicher drei Wertschöpfungsebenen: den Handelswert, den Systemwert und den Versicherungswert. Für die drei Ebenen hat der europäische Verband der Gasinfrastrukturbetreiber GIE das sogenannte Eisbergmodell geprägt. Es geht davon aus, dass der Handelswert der Gasspeicher im für den Gasmarkt sichtbaren Bereich – also über Wasser – liegt. Der Systemwert und der Versicherungswert der Gasspeicher befinden sich hingegen im für den Markt nicht sichtbaren Bereich – also unter Wasser.

Der sichtbare Wert der Gasspeicher für den Gasmarkt liegt im Handelswert. Der Handelswert ist der Preis, den die Kunden für die Dienstleistung von Gasspeichern im Gasmarkt bezahlen. Der Nutzer eines Gasspeichers kann zum Beispiel an einem virtuellen Handelspunkt ein Geschäft für eine Gaslieferung abschließen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft erfolgen soll. Er nutzt dann den Gasspeicher dafür, dieses Geschäft mit der physischen Vorhaltung entsprechender Gasmengen abzusichern.

Im Eisbergmodell ist der Handelswert die einzige Wertschöpfungsebene der Gasspeicher, die sich über der Wasseroberfläche befindet. Das hat vor allem einen Grund: Gasspeicher werden heute vor allem marktorientiert genutzt.

Aus diesem Grund beeinflussen vor allem die Preisinformationen der Handelsmärkte die Einsatzweise der Gasspeicher. Einen Erlös erwirtschaftet der Kunde der Gasspeicher vor allem aus der Preisdifferenz zwischen Sommer- und Winterverträgen. Diese Preisdifferenz bezeichnet man als den Sommer-Winter-Spread. Der Sommer-Winter-Spread ist der wesentliche Ertragsindikator für Gasspeicher in Deutschland.

Der Systemwert der Gasspeicher drückt sich vor allem darin aus, welche Kosten für das Energiesystem in Deutschland durch die Nutzung der Gasspeicher nicht entstehen. Weil dieser Wert für den Markt in der Regel nicht sichtbar ist, liegt er im Eisbergmodell unter der Wasseroberfläche. Den Systemwert der Gasspeicher hat die Unternehmensberatung Enervis Energy Advisors für die INES berechnet.

Das Ergebnis: Die Gasspeicher vermeiden nicht nur Kosten für einen übermäßigen Netzausbau in Höhe von 1,4 Milliarden Euro pro Jahr. Sie optimieren auch die Auslastung der bestehenden Gasnetze und sorgen dafür, dass Energie bereitsteht, wenn diese benötigt wird. Insgesamt entstehen mit den Gasspeichern Kostenersparnisse, die einen Systemwert von mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr für das Energiesystem bedeuten.

Der Versicherungswert von Gasspeichern

Die dritte Wertschöpfungsebene der Gasspeicher ist der Versicherungswert. Dieser liegt im Eisbergmodell ebenfalls unter der Wasseroberfläche. Er bringt jedoch eine Schlüsselfunktion der Gasspeicher zum Ausdruck: Die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit – selbst in Zeiten einer sehr hohen Gasnachfrage.

Um die Versorgung mit Gas im Winter aufrechtzuerhalten, befüllen die Gasspeicherbetreiber ihre Standorte über das Jahr hinweg relativ gleichmäßig mit Gas. Der Großteil des Gases in Deutschland wird zum Heizen verbraucht und damit im Winter. Die Gasspeicher sorgen jedoch dafür, dass der hohe Bedarf im Winter nicht zu übermäßigen Lasten für das Gasnetz führt. Denn die rund 270 Terawattstunden Gasspeicherkapazität in Deutschland funktionieren im Grunde wie eine lokale Gasquelle.

Die Gasspeicher sichern also den Spitzenbedarf mit Gas im Winter ab und versichern die Kunden gleichzeitig gegen Lieferengpässe, Ausfälle von Gaslieferungen oder Störungen beim Import von Gas.

Die Entwicklung der Sommer-Winter-Spreads in den letzten Jahren zeigt, dass der Gasmarkt die vollständige Wertschöpfung der Gasspeicher nur unzureichend honoriert. Auch das möchte das Eisbergmodell zum Ausdruck bringen. Es zeigt, dass die Gasspeicher im Grunde nur für ihren Handelswert honoriert werden. Der Systemwert und der Versicherungswert der Gasspeicher wird vom Gasmarkt hingegen nicht belohnt.

Greg Molnár, ein Analyst der Internationalen Energieagentur, macht hierfür unter anderem ein Phänomen verantwortlich: das Gasspeicher-Paradox.

Das Gasspeicher-Paradox folgt dem folgenden Mechanismus:

1. Wenn am Ende der Heizsaison im Frühjahr die Gasspeicher niedrige Füllstände haben, bedeutet das, dass im Sommer mehr Gas eingespeichert werden muss.

2. Das führt zu einer erhöhten Gasnachfrage im Sommer und sich erhöhenden Preisen für die Sommergeschäfte mit Gas.

3. Nehmen die Preise für die Sommergeschäfte schneller zu als die Preise der Wintergeschäfte, dann verringert sich der Sommer-Winter-Spread.

Im kalten Winter 2017/18 sanken die Speicherfüllstände in Deutschland an einigen Standorten zum Beispiel auf nur noch knapp über zehn Prozent ab. Die Sommerverträge 2018 verteuerten sich in der Folge zwei Mal so schnell, wie die Winterverträge 2017/18. Dadurch sanken im Jahr 2018 die Sommer-Winter-Spreads deutlich ab. Im Frühjahr 2019 zeigte sich ein exakt umgekehrtes Bild. Nach einem eher milden Winter sorgten noch recht gut gefüllte Gasspeicher für eine Entspannung mit Blick auf die Sommersaison. Der Sommervertrag fiel im Preis und die Sommer-Winter-Spreads nahmen spürbar zu.

Der Markt honoriert die Leistung der Gasspeicher also nicht entsprechend ihres vollständigen Wertes für das Energiesystem. Daran tragen vor allem die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland eine Mitschuld.

Mit Blick auf den Systemwert der Gasspeicher zum Beispiel setzt insbesondere die Anreizregulierung Fehlanreize. Die Anreizregulierung ist ein System von Vorgaben, das dafür sorgen soll, dass die Betreiber von Energienetzen so kostensparend wie möglich arbeiten. Derzeit veranlasst die Anreizregulierung die Betreiber deutscher Gasnetze allerdings dazu, eher in den Netzausbau zu investieren, als die kostengünstigen Gasspeicher einzusetzen.

Um den Systemwert der Gasspeicher in Deutschland zu erhalten, müssen die politischen Rahmenbedingungen angepasst werden. Eine integrierte Betrachtung der Gasnetze und Gasspeicher ist daher notwendig. Denn diese erzeugt deutliche Kostenvorteile für den Endkunden und trägt zum Erhalt der Versorgungssicherheit bei.

Auch der Versicherungswert wird von den gesetzlichen Rahmenbedingungen geschmälert. Da es keine gesetzlichen Vorgaben gibt, ausreichende Gasmengen in den deutschen Gasspeichern vorzuhalten, sind Kunden nicht bereit diesen Wert zusätzlich zu vergüten.

Zwar stieß das Bundeswirtschaftsministerium in den letzten Jahren eine Debatte zur Versorgungssicherheit an und beschloss in der Folge eine Reihe von Maßnahmen. Gerade im Bereich des L-Gas-Marktes gibt es jedoch nach wie vor Spannungen, die es zu beseitigen gilt. Die INES hat hierfür Lösungsvorschläge erarbeitet.

Der Erhalt der Gasspeicher in Deutschland ist nicht zuletzt für die Energiewende von entscheidender Bedeutung. Die beschriebenen Wertschöpfungsebenen beschränken sich nämlich nicht auf Erdgas. Im Gegenteil: Die Nutzung erneuerbarer, treibhausgasneutraler Gase ist im Energiesystem der Zukunft bereits heute abzusehen. Die Wertschöpfung der Gasspeicher, die diese Gase langfristig einspeichern und nutzbar machen können, wird also auch in Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen.

Sebastian Bleschke

Geschäftsführer

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